Der Jahresbericht der NIP Group für 2024 ist schnell zusammengefasst – und schwer einzuordnen. 85,3 Millionen US-Dollar Umsatz stehen am Ende auf dem Papier. Doch unterm Strich bleibt ein Nettoverlust von 12,7 Millionen. Damit reduziert sich das Minus im Vergleich zu 2023 zwar leicht, aber von einer Trendwende kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Zahlen zeigen, wie sehr sich das klassische eSports-Modell wirtschaftlich verschoben hat – und wie dringend neue Strukturen gebraucht werden.
Wachstum auf der Event-Seite, Rückgänge im Kerngeschäft
Was die Bilanz trägt, kommt nicht mehr vom Spielfeld. Die wachsenden Umsätze entstehen im Eventgeschäft: Festivals, Arenashows und groß angelegte Produktionen zeigen Wirkung. Vor allem in China sorgt die Expansion – mit eigenen Locations wie der NIP Arena in Shenzhen – für neue Reichweite und Einnahmequellen. Gleichzeitig fällt das Esports-Teamgeschäft immer weiter zurück. Die Sponsorenbudgets schrumpfen, Merchandising schwächelt, Partnerverträge werden kürzer, kleiner, vorsichtiger. Das operative Minus wächst dort, wo früher das Herzstück des Unternehmens lag.
Dazu kommen steigende Kosten, die den Effekt der Event-Erlöse aufzehren. Die Marketingausgaben steigen deutlich, auch die Verwaltungskosten bleiben auf hohem Niveau. Zwischen Börsenpflichten, Beratungsverträgen und Fixkosten reicht selbst ein solides Umsatzplus nicht aus, um die Bilanz ins Positive zu drehen. Der Verlust auf EBITDA-Basis liegt bei fast zehn Millionen Dollar – ein klares Zeichen dafür, dass sich das Modell nicht mehr tragen lässt, so wie es bisher aufgebaut war.
Der Umbau beginnt
Die NIP Group hat reagiert – früh, entschlossen und groß gedacht. Die Organisation positioniert sich neu, weg vom reinen eSports-Team, hin zu einer Plattform für digitales Entertainment, Events und Gaming-Infrastruktur. Im Zentrum dieser Neuausrichtung steht Abu Dhabi, nicht mehr Stockholm. Der neue Hauptsitz wird durch regionale Fördermittel unterstützt und bildet den Ausgangspunkt für eine international gedachte Struktur. Parallel dazu entstehen neue Partnerschaften mit Marken wie Red Bull und Spieleentwicklern wie The9 Limited. NIP will künftig eigene Produkte launchen, eigene Titel entwickeln, eigene Systeme aufbauen.
China, Abu Dhabi und der Versuch, ein Ökosystem zu bauen
Wachstum findet nicht mehr in Europa statt – sondern im Mittleren Osten und in Asien. Dort investiert die NIP Group in Orte, Formate und Inhalte. In Wuhan entsteht ein Entertainment-Hub, in Chengdu eine Hospitality-Arena. Alles ist darauf ausgerichtet, neue Zielgruppen zu erschließen, neue Plattformen zu bauen, neue Geschichten zu erzählen. NIP will nicht nur Turniere veranstalten, sondern Räume schaffen, in denen Fans bleiben. Nicht nur für ein Spiel, sondern für ein Erlebnis.
Ein neuer Blick auf Esports
Der Jahresabschluss 2024 zeigt, wie schwer sich selbst große Organisationen mit nachhaltiger Rentabilität tun. Er zeigt aber auch, dass Veränderung möglich ist – wenn man bereit ist, das eigene Modell in Frage zu stellen. NIP hat verstanden, dass reine Teamleistung nicht mehr reicht. Wer heute im eSports bestehen will, muss mehr sein als Sieger auf der Bühne. Er muss Bühne, Bühnenbauer und Produzent in einem sein. Ob die neue Strategie greift, wird sich zeigen. Aber dass ein Umdenken nötig ist, steht längst nicht mehr zur Debatte.