Für Fans von VALORANT war Stage 1 der VCT Americas 2025 eigentlich ein No-Brainer. Top-Teams, neue Strategien, jede Menge Storylines — auf dem Papier alles da. Und trotzdem: weniger Zuschauer. Nicht nur ein bisschen, sondern spürbar. Vor allem im Vergleich zum Vorjahr. Was lief da schief?
Gute Matches, aber die Bühne bleibt leer
Vom 21. März bis zum 4. Mai lief das Turnier in Los Angeles. G2 Esports holte sich am Ende den Titel, Sentinels war stark unterwegs, MIBR sammelte wichtige Punkte — die großen Namen haben abgeliefert. Die Matches waren spannend, die Meta abwechslungsreich. Und trotzdem: kein Zuschauer-Hype.
Im Finale lag der Peak bei rund 390.000. Klingt viel, ist aber deutlich weniger als noch 2024. Die Gruppenphase? Auch hier klarer Rückgang. Schon zum Saisonstart waren die Aufrufzahlen um rund ein Drittel niedriger als im Vorjahr. Eigentlich müsste so ein Turnier gegen Ende hin an Fahrt aufnehmen. Dieses Mal war eher früh die Luft raus.
Warum Qualität nicht reicht
Das zeigt vor allem eins: Sportliche Relevanz reicht nicht mehr, um Massen zu bewegen. Highlights gibt’s überall. Wer nicht live einschaltet, schaut sich später die besten Szenen als Clips an. Und wer nicht mal mehr das tut, hat das Event wahrscheinlich gar nicht mehr auf dem Schirm.
Dabei war das, was auf dem Server passiert ist, durchaus sehenswert. Aber ein gutes Match macht noch kein großes Erlebnis. Der Kitzel, live dabei zu sein, wenn’s knallt, der fehlt. Und genau das macht sich in den Zahlen bemerkbar.
Zu viele Streams, zu wenig Fokus
Ein weiteres Problem: Die Zuschauer sind da, sie schauen nur nicht mehr gemeinsam. Riot-Stream, Co-Streams, YouTube, Twitch, regionale Übertragungen — es gibt zig Optionen. Die einen klicken sich zum Lieblingscaster, die anderen bleiben bei offiziellen Kanälen oder schauen auf Spanisch, Portugiesisch, Koreanisch.
Was früher ein gemeinsames Erlebnis war, ist heute ein Puzzle. Die große Masse verteilt sich auf viele kleine Communitys. Das senkt nicht unbedingt die Gesamtzahl der Zuschauer, aber die Peaks. Und damit verschwindet auch das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.
Und wie wird überhaupt noch geschaut?
Livestreams verlieren an Bedeutung. Stattdessen: Zusammenfassungen, TikToks, Shorts, Highlight-Reels. Junge Zuschauer nehmen sich keine drei Stunden Zeit für ein Bracket-Finale, sie wollen das Entscheidende in 90 Sekunden. Im Hochformat. Mit Untertiteln. Und Musik im Hintergrund.
Dazu kommen die ganzen Co-Streamer und Content Creators, die ihre eigenen Kommentare liefern. Die sagen nicht nur, was passiert, sondern auch, warum man sich dafür interessieren sollte. Das ist direkter, unterhaltsamer — und oft näher dran an der Community als der offizielle Cast.
Lokale Stärke, globales Problem
Nicht überall geht’s bergab. Nordamerika hält sich noch vergleichsweise stabil — nicht zuletzt dank smarter Belohnungssysteme und gutem Storytelling rund um die Teams. In Südamerika wächst die Szene weiter. KRÜ Esports ist ein Paradebeispiel dafür, wie lokale Nähe und Community-Aufbau funktionieren können.
Das Problem: Diese Energie kommt nicht immer global an. Der Funke springt oft nur regional über. Was fehlt, ist eine zentrale Erzählung, ein verbindender Moment, der über alle Streams und Sprachen hinwegwirkt. Genau das, was früher mal das Herz der VCT war.
Das Format ist kein Türöffner
Zwei Gruppen à sechs Teams, K.O.-Phase mit Double Elimination — auf dem Papier ist das sportlich fair und sinnvoll. Aber aus Zuschauersicht ist es kompliziert. Zu viele Matches, unübersichtliche Zeitpläne, mehrere parallele Streams. Wer nicht regelmäßig dabei ist, hat’s schwer, hineinzukommen.
Ein Turnier, das einlädt, sollte leicht verständlich sein. Das hier wirkt eher wie ein Puzzle, bei dem einem ständig ein Teil fehlt.
VALORANT ist kein Einzelfall
Auch andere Games erleben diesen Trend. Counter-Strike, Dota 2, League — die ganz großen E-Sport-Titel kämpfen ebenfalls mit sinkenden Live-Zahlen. Es ist nicht das Spiel, das versagt. Es ist die Art, wie es präsentiert wird, in einer Welt, in der alles immer verfügbar ist, aber nichts mehr lange wichtig bleibt.
Die VCT braucht keine größeren Turniere. Sie braucht bessere Momente. Weniger Matches, mehr Relevanz. Ein Storytelling, das sich nicht nur auf den Server beschränkt. Und Plattformen, die nicht nur senden, sondern zurückspielen.
Wer heute live zuschaut, will mehr als Gameplay. Er will dabei sein, eingebunden werden, mitreden können. Wenn das gelingt, kommt der Hype vielleicht nicht sofort zurück, aber er bekommt wieder Raum zum Wachsen.