Die ESL setzt zunehmend auf klassische TV-Kanäle, um eSports einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Während Plattformen wie Twitch und YouTube längst etabliert sind, stellt die Präsenz im linearen Fernsehen eine neue Stufe der Professionalisierung dar – und birgt zugleich spannende Chancen für Marken, Partner und Zuschauer.
In Deutschland wird das Programm unter anderem über den Spartensender eSportsONE verbreitet. Hier laufen regelmäßig Übertragungen von ESL-Turnieren wie der ESL Pro League, der IEM Cologne oder den regionalen Meisterschaften. Am 18. Juni etwa wird ein sechsstündiges ESL-Event auf eSportsONE ausgestrahlt – in Full-HD und mit umfassender Kommentierung.
Technischer Aufwand und redaktionelle Herausforderung
Ein eSports-Turnier ins klassische Fernsehen zu bringen, ist weitaus komplexer als ein Livestream auf Twitch. Produktionsfirmen müssen nicht nur für stabile Signale und hochwertige Kameraführung sorgen, sondern auch Spiele erklären, die für Außenstehende schnell unübersichtlich wirken können. Das erfordert neue Formen der Regiearbeit, visuelle Einblendungen sowie erklärende Kommentare durch professionelle Hosts.
Zudem müssen die Produktionen den Anforderungen der Rundfunkstandards entsprechen – in puncto Schnitt, Timing, Ton und Bildkomposition. Laut Branchenbeobachtern kostet die Fernsehproduktion eines Top-Turniers mehrere Hunderttausend Euro. Umso wichtiger sind starke Partner wie Intel, DHL oder Monster Energy, die durch Sponsoring zur Refinanzierung beitragen.
ESL-Strategie: Online bleibt das Fundament
Trotz TV-Offensive bleibt das Herzstück der ESL-Strategie im Digitalen. Die hauseigene Plattform ESL.TV bietet Live-Streams, interaktive Formate und VOD-Inhalte rund um die Uhr. Zuschauer können hier nicht nur Matches sehen, sondern auch mit anderen Fans chatten oder Highlight-Clips teilen.
Die Kombination aus Livestreaming und TV bringt neue Synergien: Während der Online-Kanal junge, global vernetzte Zielgruppen bedient, soll das Fernsehen gezielt neue Zuschauergruppen erschließen – darunter ältere Sportfans oder Familien mit Gaming-affinen Kindern.
Wirtschaftliche Chancen und Risiken
Die ESL ist seit der Übernahme durch die Savvy Games Group (Saudi-Arabien) Teil eines milliardenschweren Gaming-Investments. Doch trotz wachsender Reichweite verzeichnet das Unternehmen laut Medienberichten weiterhin Verluste im Millionenbereich. Der Ausbau des TV-Geschäfts könnte dazu beitragen, neue Einnahmequellen zu erschließen – etwa über Medienrechte, Werbung oder Co-Produktionen.
Gleichzeitig bleibt die Profitabilität ein Drahtseilakt: Die Produktionskosten sind hoch, während Einschaltquoten im TV-Segment oft unter dem Niveau großer Streaming-Plattformen liegen. Der Erfolg hängt davon ab, ob sich eSports langfristig als feste Größe im TV-Sportangebot etablieren kann.
Zukunft: Interaktive Formate im Fernsehen?
Ein möglicher Weg für die Zukunft sind hybride Formate, die klassische Fernsehelemente mit interaktiven Elementen kombinieren. Denkbar sind Second-Screen-Angebote, Live-Abstimmungen oder Cross-Plattform-Kommentare. Auch Kinoübertragungen – wie sie bei ESL One Cologne bereits stattfanden – könnten als Event-Erlebnis wieder in den Fokus rücken.
Der Schritt ins Fernsehen ist für die ESL mehr als ein mediales Experiment. Er ist ein Statement: eSports ist bereit für die große Bühne – und das nicht nur online, sondern auch im Wohnzimmer klassischer Zuschauer.