Caedrel: „Los Ratones könnte Ende des Jahres weg sein“

Linda Güster

Los Ratones gilt 2024 als eines der spannendsten Esports-Projekte Europas. Unter der Leitung von Marc „Caedrel“ Lamont kombiniert das Team sportlichen Anspruch mit einem frischen, transparenten Ansatz – doch nun sorgt ein Statement für Diskussion. Caedrel deutete an, dass das Projekt zum Jahresende eingestellt werden könnte. Ein Grund zur Panik? Noch nicht. Doch das Gespräch zeigt, dass Streamer-Teams wie Los Ratones vor besonderen Herausforderungen stehen.

Wie Los Ratones aus einem Content-Projekt ein erfolgreiches Team wurde

Los Ratones ist weit mehr als ein Streamer-Kollektiv. Es ist eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte in einer sonst oft starren Liga-Struktur. Mit Namen wie Bausffs, Rekkles und Caedrel selbst vereint das Team Unterhaltung, Talent und Wettbewerb unter einem Banner. Dabei hat es sich einen Namen gemacht, weil es Einblicke bietet, die sonst in der Esports-Welt selten sind.

Trainings werden gestreamt, Drafts diskutiert, Team-Entscheidungen live begleitet. Diese Offenheit zahlt sich aus: Fans identifizieren sich mit dem Team, verstehen Hintergründe und feiern nicht nur Siege, sondern auch das Scheitern – weil sie es miterleben. Das ist nicht nur modern, sondern vor allem nahbar.

Von der NLC zur EMEA Masters: Turniersiege und Publikumserfolge

Sportlich hat sich das Projekt längst bewährt. Der Sieg beim NLC Winter Split und der überraschende Triumph bei den EMEA Masters Winter 2025 sprechen eine klare Sprache. Los Ratones bezwang dabei namhafte Organisationen wie Ici Japon Corp im Finale – und holte mit einem 3:0 den Titel.

Zugleich schrieb das Team auch im Community-Bereich Geschichte. Mit knapp einer halben Million gleichzeitiger Zuschauer setzte das EMEA Masters Finale neue Maßstäbe für europäische Ligen unterhalb der LEC. Auch bei Sonderformaten wie Red Bulls „League of Its Own“ bewies das Team, dass es gegen große Namen bestehen kann. Der Sieg gegen T1 war ein Prestige-Moment, der die Reichweite weiter steigerte.

Der Wunsch von Los Ratones nach mehr: die Realität ist komplizierter

Caedrel hat mehrfach betont, dass er Los Ratones langfristig auf ein neues Level heben möchte. Der Wunsch: eine eigene Position in der LEC, Europas Königsklasse. Doch das System ist geschlossen. Ohne Millionen-Investment oder strategischen Partner gibt es kaum Chancen, dauerhaft oben mitzuspielen.

Auch Ideen wie ein eigenes internationales Tour-Format oder Gastspiele in anderen Regionen klingen spannend – doch in der Praxis fehlen Ressourcen, Strukturen und der nötige Einfluss. In einem zunehmend durchkommerzialisierten Umfeld wird es für ein unabhängiges Team wie Los Ratones schwer, dauerhaft mitzuhalten.

Der Spagat zwischen Content und Wettbewerb

Was Los Ratones so besonders macht, ist zugleich die größte Herausforderung. Die Mischung aus Unterhaltung und sportlichem Ehrgeiz funktioniert gut – solange der Erfolg da ist. Doch je höher das Level, desto enger werden Zeitpläne, desto klarer werden Rollen, desto geringer der Spielraum für Spontanität.

Streamer wie Bausffs haben andere Karriereziele als klassische Profis. Und auch ein Star wie Rekkles muss sich in diesem Setup immer wieder neu positionieren. Wenn der sportliche Druck steigt, geraten Content und Lockerheit schnell in Konflikt. Ein strukturiertes Trainingspensum, Analysen, Management und Sponsorenverpflichtungen lassen wenig Raum für Experimente.

Die neue Esports-Welt ab 2025: Professioneller, aber auch enger

Riot Games hat in den letzten Monaten deutlich gemacht, dass der Esport stärker reguliert und kommerzialisiert wird. Mehr Kontrolle, klarere Regeln, größere Budgets – für Organisationen mit festen Investoren ist das eine Chance, für unabhängige Projekte wie Los Ratones eine Herausforderung.

Zugleich holen klassische Teams beim Thema Content stark auf. Die Fan-Nähe, die einst ein Alleinstellungsmerkmal war, wird zum Standard. Wer bestehen will, muss nicht nur innovativ sein, sondern auch wirtschaftlich mithalten können.

Was bleibt: Hoffnung, Inspiration und viele offene Fragen

Caedrel sagt offen, dass es möglich ist, dass Los Ratones zum Jahresende nicht mehr existiert. Doch zugleich ist klar: Das Team hat gezeigt, dass neue Ideen im Esport funktionieren können. Es hat die Community mitgenommen, frische Dynamik in die europäische Szene gebracht und vielen jungen Fans einen Zugang eröffnet, den es so vorher nicht gab.

Ob und wie es weitergeht, hängt an vielen Faktoren – Geld, Struktur, Zeit, Motivation. Aber selbst wenn das Projekt endet, wird es Spuren hinterlassen. Als Konzept, als Beweis, dass es auch anders geht. Und als Signal, dass Esport mehr sein kann als Tabellenplätze und Taktik.

Linda Güster ist leidenschaftliche Gamerin und als Teil des Freelance-Teams bei ESI immer am Puls der eSports-Szene. Ob knallharte DotA-2-Matches, nervenaufreibende Survival-Abenteuer in Subnautica oder entspannte Stunden mit Cozy Games wie Stardew Valley — sie liebt die ganze Bandbreite des Gaming-Universums. Abseits davon bringt sie als Software-Entwicklerin und Freelancerin ihr Können in die Welten von Technologie, Mode, Finanzen und iGaming ein, immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und spannenden Projekten.