Dieser Beitrag ist Teil unser Serie: „Gaming-Empfehlungen der Esports-Insider“
Es ist 2009 und der kleine Lukas ist bei seinem Bruder zu Besuch. Für mich war damals Pokémon Heart Gold und Soul Silver der absolute Peak an Rollenspielen – gut, ich hatte auch nie wirklich “richtige” Vertreter meines heutigen Lieblingsgenres angetestet. Die Gothic Reihe ist komplett an mir vorbeigegangen, Baldur’s Gate habe ich erst mit dem dritten Entry kennengelernt und für Fable hätte ich eine XBOX gebraucht. Als mein Bruder damals dann seine PS3 bis zum absoluten Anschlag brachte und “The Elder Scrolls IV – Oblivion” startete, hat sich mein Blick auf Videospiele für immer verändert.
Bis heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich das Maintheme höre, den Prolog von Uriel Septim kann ich im Schlaf mitreden und egal ob Scroll Duping, Bound Weapon Glitches oder die besten Strategien für frühes Leveln – alles davon wird für immer mietfrei in meinem Kopf leben. Ich war so verzaubert von dieser offenen Welt, den unendlichen Möglichkeiten, einem Zaubersystem, das alle Rahmen sprengte und NPCs, die sich wie echte Menschen verhielten! Gut, vielleicht klebt da ein bisschen Nostalgie mit dran, aber mein Maßstab für Videospiele wurde auf ein ganz neues Level katapultiert.
Bis zum 11.11.11, als Skyrim endlich erschienen ist, gab es quasi kein Spiel auf der Welt, das mich so in seinen Bann gezogen hat wie Oblivion. Mensch, ich habe sogar Pokémon Schwarz und Weiß nicht gespielt – es war schlicht und ergreifend keine Zeit dafür vorhanden. Ich verfolgte akribisch das Modding-Projekt „Skyblivion“, das sich zum Ziel gesetzt hat, Oblivion komplett auf Basis der Skyrim-Engine neu zu erschaffen – ich wollte einfach nichts mehr, als ein zweites Mal ganz neu in diese Welt eintauchen.
16 Jahre später wache ich eines Tages nichts ahnend auf und sehe eine Voicemail meines Bruders mit den Worten: “So, ich bin ja mal gespannt, was die jetzt heut’ im Gameplay Teaser zum Oblivion Remake so sagen.” BITTE WAS?! Wie habe ich davon nichts mitbekommen?! Ich sehe mir also den Livestream an und aktualisierte jede Minute den Steam Store in der verzweifelten Hoffnung, dass es heute noch rauskommt. Und bitte, bitte, bitte lass es genauso sein, wie damals. Und ich bin sehr dankbar, dass Bethesda abgeliefert hat!
Was nicht kaputt ist, sollte auch nicht gefixt werden
Oblivion Remastered hat Schwächen. Das war mir im Vorhinein bewusst – wir sprechen schließlich von Bethesda und viele Games heutzutage werden nur halbgar und lieblos auf den Markt geschmissen. Klar gibt es hier und da ein Baldur’s Gate 3, ein Elden Ring oder auch ein Zelda: Tears of the Kingdom, aber für jedes Juwel gibt es eben auch das hundertste Reskin von Assassins Creed, ein Diablo Immortal, das im Prinzip nur noch eine glorifizierte Slot Maschine ist und lasst mich gar nicht erst von Herr der Ringe: Gollum anfangen. Vor allem aber hatte ich Angst, dass Bethesda nicht verstanden hatte, was Oblivion so großartig gemacht hat. Und ich bin so froh, dass diese Angst scheinbar (größtenteils) unbegründet war.
Was das Remastered richtig macht
Aber was ist es denn, was Oblivion ausmacht? Um ehrlich zu sein, haben sich meine Gründe dafür seit 2006 etwas verändert. Damals war es die Open World von gigantischem Ausmaß, großartige Grafik und viele andere Gründe. Aber vor allem war es die revolutionäre Radiant AI. NPCs hatten plötzlich Tagesabläufe. gingen zur Arbeit, aßen, schliefen, gingen spazieren oder lasen Bücher. Sie führten Gespräche auf der Straße und hatten zu verschiedenen Zeiten sogar verschiedene Dialogoptionen! Das war für damalige Verhältnisse unvorstellbar. Und diese Radiant AI ist auch heute noch der Grund, wieso ich dieses Spiel so liebe – aber aus anderem Grund.
Während das NPC-Verhalten damals in der Theorie revolutionär war, sah es in der Realität etwas anders aus. Viele Gespräche bestanden aus generischen Phrasen, die zufällig zusammengesetzt wurden und wirkten mechanisch und repetitiv. Ein Dialog à la “Habt ihr etwas aus den anderen Provinzen gehört?” – „Nichts, worüber ich reden möchte.” – “Auf Wiedersehen.“ – “Schönen Tag!” oder auch “Habt ihr die Neuigkeiten aus Kvatch gehört?” – “Schönen Tag noch!” war nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Und genau so sollte es auch sein! Fast kein Spiel ist für mich so memeable, wie TES IV Oblivion. Es gibt hunderte Compilations auf YouTube oder TikTok von diesen Dialogen oder anderen unfreiwillig urkomischen Situationen, die das Spiel einem regelmäßig darbietet. Diese unfreiwillige Komik macht für mich und viele andere den Charme und die Seele des Spiels aus und um es in Oblivions Dialogen zu sagen – “I’ve heard others say the same”. Der Fakt allein, dass das eins zu eins beibehalten wurde, macht die Neuauflage für mich zu einem Erfolg.
Aber auch Elemente wie das Erstellen von Zaubern, bei dem man jeden Unsinn herstellen kann, der einem Möglich erscheint, die großartigen Synchronsprecher, wie Wes Johnson, der Lucien Lachance, die Stadtwachen und Sheogorath spricht, die meisten wundervollen Exploits, wie dem Bound Weapon Glitch, mit dem man direkt zu Beginn enorm starke Waffen mit 0 Gewicht dauerhaft in sein Inventar zaubert und vieles mehr wurde vom Original einfach übernommen. Und das ist sehr gut so. Die Elder Scrolls Reihe lebt schließlich streng nach dem Todd Howards Prinzip “They’re not bugs. They are features”.
Zusätzlich wurden einige Schwächen des Spiels ausgebessert und manche Dinge etwas modernisiert. Das Levelsystem war (bei all meiner Nostalgie und Liebe für das Spiel) grauenhaft und anstrengend. Ich gehe hier mal nicht in die Tiefe, aber um effizient zu Leveln musste man quasi Block und Stift neben dem Rechner oder der Konsole liegen haben und brav mitschreiben, welcher Skill wie oft nun aufgestiegen ist, damit man beim Level Up auch genug Punkte in sein favorisiertes Attribut stecken kann – jetzt gibt es einfach 12 Punkte pro Level Up frei zu verteilen. Auch nervige Aspekte, wie dass man “Konstitution” direkt zu Beginn leveln musste, weil man die dadurch erhöhte HP nur beim Level Up selbst basierend auf dem derzeitigen Wert bekommt und eben nicht später rückwirkend angerechnet, wurden “gefixt”.
Zu den kleineren Verbesserungen gehören, dass Dolche nun einen Sinn haben, indem sie einen x8 Multiplier auf Schleichangriffe geben, statt wie alle anderen Schwerter nur x3 oder dass es in 3rd Person nun tatsächlich auch ein Fadenkreuz gibt. Revolutionär und mutig, ich weiß. Die Fähigkeit zu sprinten ist nichts Weltbewegendes, aber auch das sorgt für einen mächtigen Quality of Life Boost. Und Quality of Life fasst eigentlich generell gut zusammen, was das Remaster so gut macht. Es wurde mehr oder weniger nur das geändert, was sich damals nervig angefühlt hat.
Und dann natürlich das Offensichtlichste: die Grafik. Oblivion Remastered sieht aus wie die Erinnerung an das Original – nur ohne die rosarote Nostalgiebrille. Jeder Baum, jeder Stein und selbst das Gras wirken nun wie handmodelliert. Schatten werden in Echtzeit geworfen, und zwar nicht nur von Objekten, sondern auch dynamisch vom Sonnenstand beeinflusst. Die Wälder von Cyrodiil wirken lebendig, wenn Licht durch das Blätterdach bricht und auf nassen Waldboden fällt. Das Wasser? Kein pixeliger Schleier mehr, der an zerknitterte Plastikfolie erinnert – sondern kristallklare Oberflächen mit realistischen Reflexionen und Tiefeneffekten, in denen sich der Himmel spiegelt. Und die Oblivion-Tore? Sie sehen genauso aus, wie wir sie in Erinnerung haben – bedrohlich, fremdartig und absolut ikonisch. Die rissartigen Portale lodern jetzt in schärferem Detail, mit glühenden Effekten und satteren Farben, ohne ihren ursprünglichen Charme einzubüßen. Es fühlt sich an wie früher – nur stimmiger und technisch auf Höhe der Zeit.
Dazu kommen hochauflösende Texturen für Architektur, Kleidung und Kreaturen, überarbeitete Beleuchtungssysteme und sogar subtile Facial Animations für NPCs, die früher wie Wachsfiguren wirkten. Jetzt zuckt mal ein Mundwinkel, blinzelt ein Auge – nichts außerordentliches, aber gerade genug, um mein geliebtes Cyrodiil mit neuem Leben zu füllen.
Aber all das kommt natürlich nicht ohne Schattenseiten. Denn zwischen all dem absolut objektiven, völlig faktenbasierten und garantiert überhaupt nicht nostalgisch verklärten Fanboy-Gelaber stehen ein paar dicke, graue Elefanten mitten im Raum – und sie trompeten laut.
Die Schattenseite und verschwendetes Potential
Ja, Oblivion sieht besser aus als je zuvor, aber manche Mechaniken stammen nun mal aus einer anderen Zeit – und das merkt man. Es ist schön, dass man aus der Map mittlerweile rauszoomen kann, aber das würde ich jederzeit sofort gegen den “Lokale Karte”-Knopf von damals eintauschen. Wieso muss ich in Dungeons oder der Karte immer vier Mausradumdrehungen durchführen, bis die lokale Karte angezeigt wird und wieso bleibt die Ansicht nicht auf dieser, bis ich das Dungeon verlassen habe? Und das Kampfsystem? Trotz aufpolierter und neuer Animationen fühlt es sich größtenteils an wie früher: Schwert rein, Schild hoch, rückwärts laufen, repeat. Funktional, klar – aber moderne RPGs zeigen längst, wie viel mehr möglich ist.
Richtig übel wird’s aber bei der Performance. Oblivion Remastered läuft auf der Unreal Engine 5 – und die kommt nicht ohne Performanceprobleme. Mein Midrange-PC mit RTX 2080 Super, 32 GB RAM und Ryzen 7 5800X hatte direkt zu kämpfen. Erst nach Installation des mit Abstand meistgeladenen Mods (Ultimate Engine Tweaks) wurde das Ganze halbwegs spielbar. Und wehe, man verändert die Grafikeinstellungen im Spiel – das führt zu Lags, Stuttern und teilweise auch Soundbugs. Nur im Hauptmenü lässt sich sauber justieren. Wie kommt sowas durch den finalen Build? Der treffendste Kommentar, den ich dazu gefunden habe, war:
Oblivion 2006: My PC can barely run it.
Oblivion 2025: My PC can barely run it.
Auch die Schwierigkeitseinstellungen sind alles andere als optimiert. Auf Adept renne ich durch die Arena teilweise einfach nur linksklickend durch. Und das meine ich wörtlich. Ich habe mehrfach getestet, ob ich einfach vor Gegnern stehen bleiben und Linksklick dauerfeuern kann – in über der Hälfte der Fälle hat das auch problemfrei funktioniert. Der Combat wird schlichtweg langweilig. Dann stelle ich die Schwierigkeit doch einfach auf Experte hoch, oder? Viel Spaß dabei. Gegner werden einfach nur zu Damagesponges und eine Schlammkrabbe killt dich in 2-3 Schlägen. Dabei sind die Damage-Multiplikatoren für Gegner und Spieler im Vergleich zu damals sogar gleich geblieben. Früher konnte man aber mit einem Damage-Slider feinjustieren – heute ist man der groben Skalierung ausgeliefert. Ein klarer Rückschritt.
Und dann kommt das für mich persönlich schlimmste: das Levelscaling. Schon im Original war das eine der größten Schwächen. Heute sticht es allerdings sogar noch mehr hervor. Du levelst, bekommst bessere Ausrüstung, steigst auf – und trotzdem bleibt das Gefühl völliger Stagnation. Wieso das? Gegner skalieren mit, genau wie deren Equipment – was nicht nur das Gefühl von tatsächlichem Fortschritt ruiniert, sondern auch massiv an der Immersion kratzt. Wenn plötzlich irgendein dahergelaufener, nein, jeder Straßenbandit in Daedrischer Rüstung vor mir steht, frage ich mich schon ein wenig, weshalb ich die Oblivion Gates schließen muss und nicht einfach besagte Banditen. Wenn dann noch hinzukommt, dass nun auch Minor Skills zum Stufenaufstieg hinzuzählen, dann kommt man schnell an den Punkt, an dem das angezeigte Level Up mit eher gemischten Gefühlen beäugt wird.
Trotz Ecken und Kanten: (fast) genau das Oblivion, das ich mir gewünscht habe
All diese Schattenseiten sind nervig, ja – aber das Gute ist: Sie sind fast alle leicht zu beheben. The Elder Scrolls war schon immer ein Spielplatz für Modder, und auch Oblivion Remastered zeigt jetzt schon, wie aktiv und leidenschaftlich die Community daran schraubt. Auf nexusmods.com finden sich bereits unzählige kleine Fixes, Performance-Verbesserungen und Quality-of-Life-Mods. Modpacks wie Echoes of Oblivion liefern schon heute umfassende Anpassungen für alle, die direkt durchstarten wollen, ohne sich durch jedes Plugin einzeln durchwühlen zu müssen.
Und wenn die Modding-Szene nur halb so groß wird wie die von Skyrim – was ich fest glaube – dann haben wir Content für Jahre. Vielleicht sogar genug, um die Wartezeit auf das eventuell, vielleicht, ganz sicher versprochene Elder Scrolls VI in 12 Jahren irgendwie zu überbrücken. Denn so holprig der technische Unterbau auch sein mag – in diesem Remaster steckt verdammt viel Liebe. Es hat den Geist des Originals eingefangen und bewahrt, ohne ihn zu verwässern. Und genau so habe ich mir mein Oblivion zurückgewünscht. Aber hält es auch für Spieler mit, die das Original nie gespielt haben?
First Playthrough 2025 – Was erwartet neue Spieler?
Doch was ist mit denjenigen, die Oblivion nie gespielt haben? Die keine nostalgischen Erinnerungen an die ersten Schritte aus dem Gefängnis in Richtung Kaiserstadt haben oder beim Wort „Mehrunes Dagon“ nicht automatisch die epischste Cutscene der 2000er im Kopf haben? Für sie ist Oblivion Remastered ein eigenartiges Erlebnis – irgendwo zwischen charmant-altmodisch und überraschend modern. Die Stärken des Spiels, etwa die kreative Zauberei, das offene Rollenspielsystem oder die lebendige Welt, funktionieren auch heute noch. Gleichzeitig ist es definitiv kein modernes AAA-Erlebnis wie ein Baldur’s Gate 3, sondern fühlt sich eher an wie ein liebevoll gepflegtes Zeitdokument mit frischem Anstrich.
Gerade Modding-Neulinge könnten anfangs Respekt vor der Vielzahl an Plugins und Tools haben – doch die Community macht es leicht, einzusteigen. Wer möchte, kann das Spiel pur erleben. Wer sich reinfuchst, wird mit einem der anpassbarsten Rollenspiele überhaupt belohnt. Und vielleicht ist genau das die wahre Stärke dieses Remasters: Es lädt neue wie alte Spieler gleichermaßen ein, sich ihre ganz persönliche Version von Cyrodiil zu erschaffen. Ich kann es allein für den Humor, die witzigen Momente, die großartige Musik und das Ambiente jedem ans Herz legen, es mal auszuprobieren. Um ehrlich zu sein, gab es abgesehen von 2006 nie einen besseren Zeitpunkt dazu!