Gefangen im Game: Was Black Mirror über die Esports-Welt verrät

Ben Touati
Jasmin Bosley
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Image credit: Bildnachweis: Artskrin / Shutterstock.com

Black Mirror hat uns mit „USS Callister: Into Infinity“, der finalen Episode der siebten Staffel, die am 10. April 2025 auf Netflix Premiere feierte, mal wieder in eine dystopische Achterbahn geschickt. Doch diesmal fühlt es sich nicht wie eine ferne (und doch so nahe) Warnung an, sondern wie ein Spiegel, den uns die Gaming-Welt vorhält.

Diese Episode ist ein wilder Ritt durch die virtuelle Hölle des MMOs Infinity, und hat mehr mit Esports zu tun, als man auf den ersten Blick denkt.

Virtuelle Schlachtfelder

Man stelle sich vor, man ist in Infinity, einem Pay-to-Play-MMO, in dem 30 Millionen Spieler ums Überleben kämpfen. Wie ein typischer Samstagabend in Fortnite oder EVE Online. Die Crew der USS Callister, angeführt von Captain Nanette Cole, ist in diesem digitalen Universum gestrandet:

Als digitale Klone, gefangen in einer Welt, die nicht für sie gemacht ist. Das ist nicht nur “Star Trek, aber im Arkham Asylum”, sondern ein außerordentlich guter Vergleich zu den Hochdruck-Arenen der Esports-Welt.

In Esports geht es um Ruhm, Geld und Rankings. Genauso wie die Callister-Crew gegen andere Spieler um Ressourcen kämpft, battlen sich Profis in League of Legends oder CS2 durch Turniere, wo ein falscher Move das Aus bedeuten kann. Doch während Esports-Spieler freiwillig in ihre virtuellen Welten eintauchen, ist die Crew in Infinity gefangen.

Dieser dystopische Twist wirft interessante Fragen auf: Wie weit entfernt sind wir von einer Welt, in der Gaming zur Pflicht wird? Und ist das etwas, worüber sich Gamer freuen würden, oder fällt es eher in die Kategorie von Wünschen, die man sich besser dreimal überlegen sollte?

Die nächste 12-Stunden-Valorant-Session gibt die Möglichkeit, mal gut darüber nachzudenken.

Teamwork: Traum oder Albtraum

Teamwork ist das Herzstück von Infinity und Esports. Die USS Callister-Crew muss wie ein gut geöltes Overwatch-Team zusammenarbeiten: Nanette als Shot-Caller, die anderen als Support, DPS oder Hacker, die Server knacken, um einen sicheren Raum zu schaffen.

Das erinnert stark an Esports-Teams, wo Rollenverteilung und Kommunikation über Sieg oder Niederlage entscheiden. Ob es darum geht, einen Baron in LoL zu sichern oder einen Bombenplatz in CS:GO zu halten – ohne Teamplay läuft nichts.

Aber hier wird’s kopflastig: Die Crew besteht aus digitalen Klonen, die gezwungen sind, zusammenzuarbeiten, weil sie sonst gelöscht werden. Das ist, als würde ein Esports-Team nicht aus Freunden bestehen, sondern aus KI-Versionen von uns, die keine Wahl haben.

Man stelle sich vor, man muss mit einer digitalen Kopie eines toxischen Mitspielers (oder eines unerträglichen Nachbarn) zocken, aber für immer.

Black Mirror zeigt hier, wie Teamdynamiken unter Druck zu etwas ganz anderem werden können. Und ganz ehrlich: Wer hat nicht schon mal in einer Ranked-Lobby gedacht, dass die Mitspieler wie ferngesteuerte Klone wirken?

Cheats und digitale Rechte

Die Episode wirft ethische Fragen auf, die direkt aus der Esports-Welt stammen könnten. Die Crew greift zu Space-Piraterie und Server-Hacks, um zu überleben. Gamer kennen ja das Ausnutzen von Bugs oder Pay-to-Win-Vorteilen in Spielen.

In Infinity ist das moralisch fragwürdig, aber notwendig. In Esports? Da führt so was zu Bans, Skandalen und Twitter-Shitstorms. Man denkt dabei an die Cheating-Debatten in CS:GO oder die Pay-to-Win-Kritik an vielen Mobile-Games.

Doch Black Mirror geht weiter: Die Crew sind fühlende Klone, deren Tod im Spiel endgültig ist – ein Permadeath. Das wirft die Frage auf, ob digitale Wesen Rechte haben. Dieses Thema führt in der Episode sogar zu einer Verhaftung wegen „digitaler Menschenrechtsverletzungen“.

In Esports reden wir über Spielerrechte, Mental Health und Burnout. Aber was, wenn wir eines Tages über die Rechte von KI-Spielern diskutieren? Wenn ihr das nächste Mal gegen einen Bot zockt, fragt euch: Verdient der nicht auch eine Pause?

Immersive Besessenheit

Die Immersion in Infinity ist intensiver als in Esports. Profispieler tauchen stundenlang in ihre Spiele ein, oft auf Kosten von Schlaf, Gesundheit oder Real-Life-Verpflichtungen. In der Episode gibt’s Spieler, die in Infinity alles geben und dabei fast schon wie Karikaturen der Hardcore-Gamer wirken, die wir alle kennen:

Es gibt eine Szene, in der einer von ihnen statt zu fluchen das bereinigte Wort „Bottomhole“ sagt, vermutlich um nicht gebannt zu werden, aber später in der Realität seine eigene Mutter wüst beschimpft. Und wer hat nicht schon mal einen Mitspieler gehabt, der „nur noch eine Runde“ spielt, während seine Pizza erst kalt und dann schlecht wird?

Die Crew in der Folge erlebt reale Konsequenzen in einer virtuellen Welt, inklusive eines Beinahe-Game-Over durch einen „Dead Man’s Switch“, den Nanette in letzter Sekunde deaktiviert. Das erinnert an die psychologische Belastung von Esports-Profis, die unter dem Druck von Millionen-Publikum und Sponsoren stehen.

Doch während Esports-Spieler ausloggen können, bleibt die Crew gefangen. Es ist, als würde Black Mirror sagen: „Seid vorsichtig, wie tief ihr in die virtuelle Welt eintaucht, denn ihr könntet dort hängenbleiben.“

Fazit

„USS Callister: Into Infinity“ ist ein scharfer Sci-Fi-Kommentar zur Esports-Welt, so pointiert, wie es nur Black Mirror kann: vom gnadenlosen Wettbewerb über die Faszination des Teamplays bis hin zu moralischen Grauzonen und der Gefahr völliger Immersion. Die Idee fühlender Klone, gefangen in einer Spielwelt, macht die Folge zu einem echten Wake-up-Call.

Wir lieben unsere Games. Aber wie weit geht diese Liebe wirklich? Vielleicht sind wir Infinity näher, als wir denken. Nur ohne Raumschiff. Also: kurz mal ausloggen, Pizza warm essen, und dann Black Mirror schauen. Jede Folge ist es wert.

Ben Touati schreibt über Esports, Games und digitale Welten – mit einem Blick, der zwischen analytischem Tiefgang und nerdiger Begeisterung pendelt. Sein Background in Linguistik verleiht ihm ein feines Gespür für Sprache, Struktur und die kleinen Nuancen, die große Geschichten tragen. Ob aktuelle Entwicklungen im kompetitiven Gaming, neue Trends oder Arnold Schwarzeneggers Englisch: Ben liefert Einordnungen mit Substanz – immer durchzogen von Popkultur-Referenzen, filmreifen Metaphern und dem leisen Verdacht, dass das alles irgendwie mit Buffy the Vampire Slayer und Watchmen zu tun hat.