Sean Gares geht – und VALORANT schaut zu

Linda Güster
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Sean Gares bei den VCT 2021 Masters in Berlin
Image credit: Colin Young-Wolff / Riot Games

Wenn jemand wie Sean ‘sgares’ Gares die Szene verlässt, bleibt es nicht bei einem simplen „Danke und viel Glück“. Der ehemalige Counter-Strike-Pro, Analyst und VALORANT-Coach hat bei Shopify Rebellion nicht nur ein Team aufgebaut, sondern für viele als Stimme der Vernunft gegolten – taktisch stark, menschlich respektiert. Jetzt ist er raus. Die Gründe? Persönlich, strukturell – und leider auch symptomatisch.

Warum sgares wirklich geht

Der Abschied kam nicht aus dem Nichts, aber viele überrascht er trotzdem. Intern lief längst nicht alles rund. Die Rollenverteilung im Team verschob sich, neue Spieler, neues Staff – doch kein klares Konzept. In solchen Phasen braucht es Führung, Kommunikation, Halt. Wenn genau das fehlt, wird selbst der beste Coach irgendwann müde.

Für Gares ging’s wohl auch um mehr. Nach Jahren im Hochleistungsmodus – ob auf der Bühne, im Analystenstuhl oder hinter den Kulissen – wächst irgendwann der Wunsch nach was anderem. Mehr Kontrolle über die eigene Zeit. Projekte, die nicht im Schatten eines Spielplans stehen. Er hat’s durchblicken lassen: Es war Zeit.

Der eigentliche Elefant: der Zustand der Szene

Natürlich ist es eine persönliche Entscheidung. Aber sie fällt nicht zufällig jetzt. VALORANT wirkt seit Monaten überhitzt. Druck von oben, toxischer Lärm von außen, wenig Raum für echte Entwicklung. Coaches wie Spieler stecken in einem System, das viel fordert – aber wenig auffängt.

Die Professionalität ist da, keine Frage. Aber mit ihr kam auch ein Tempo, das auf Dauer schwer durchzuhalten ist. Du brauchst Pause? Gibt’s nicht. Du willst Planbarkeit? Viel Glück, wenn morgen dein Roster wechselt und nächste Woche der Sponsor abspringt.

Wenn das Fundament wackelt

Das Ganze betrifft nicht nur Tier 1. In der Tier-2-Szene geht’s richtig zur Sache – nur eben nicht im positiven Sinn. Wenig Geld, kaum Sichtbarkeit, null Planungssicherheit. Viele Teams stehen auf wackeligen Beinen. Einige ziehen sich ganz zurück, andere setzen Spieler und Coaches auf die Straße, sobald’s eng wird.

Und dann kommt der Community-Druck. Kritik ist okay, aber was da in Streams, Threads und DMs passiert, geht oft deutlich darüber hinaus. Fehler werden nicht analysiert, sondern ausgeschlachtet. Selbst gestandene Profis wie sgares kriegen das ab. Das hinterlässt Spuren.

Was bleibt – und was sich ändern muss

Gares geht, weil er kann. Weil er’s sich leisten kann, rauszugehen, bevor’s zu viel wird. Aber nicht alle haben diesen Spielraum. Und genau da liegt das Problem: Die Szene verliert Erfahrung, Klarheit und Haltung – während viele, die bleiben, schlicht durchhalten müssen.

Wer also trägt die Verantwortung? Alle ein bisschen. Teams, Ligen, Fans, Strukturen. Solange alles auf maximale Performance bei minimalem Rückhalt getrimmt ist, wird sich daran wenig ändern. Die Szene braucht keinen neuen Hype, sie braucht Stabilität.

Denn wenn selbst die ruhigsten, reflektiertesten Köpfe gehen, ist es vielleicht Zeit, die Fragen nicht mehr nur an die Einzelnen zu richten. Sondern an das System, das sie gehen lässt.

Linda Güster ist leidenschaftliche Gamerin und als Teil des Freelance-Teams bei ESI immer am Puls der eSports-Szene. Ob knallharte DotA-2-Matches, nervenaufreibende Survival-Abenteuer in Subnautica oder entspannte Stunden mit Cozy Games wie Stardew Valley — sie liebt die ganze Bandbreite des Gaming-Universums. Abseits davon bringt sie als Software-Entwicklerin und Freelancerin ihr Können in die Welten von Technologie, Mode, Finanzen und iGaming ein, immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und spannenden Projekten.